Im Grunde gut by Rutger Bregman

Im Grunde gut by Rutger Bregman

Autor:Rutger Bregman [Bregman, Rutger]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644007635
Herausgeber: Rowohlt E-Book


Mit Hilfe von Mythen brachten die Menschheit und ihre Machthaber etwas zuwege, was keiner anderen Spezies je gelang. Mythen halfen uns dabei, im großen Maßstab mit Fremden zusammenzuarbeiten.

Nach dieser Theorie sind große Gesellschaften eine Frage von großer Vorstellungskraft. Judentum und Islam, Nationalismus und Kapitalismus sind Produkte unserer Phantasie. «Es geht im Grunde», so schreibt der israelische Historiker Yuval Noah Harari in seinem Buch Eine kurze Geschichte der Menschheit, «um Geschichten und darum, andere Menschen von der Wahrheit dieser Geschichten zu überzeugen.»[12]

Es ist eine faszinierende Theorie, sie hat nur einen Haken: Sie ignoriert 95 Prozent unserer Geschichte. Tatsache ist nämlich, dass unsere nomadischen Vorfahren endgültig die «magische» 150er-Marke durchbrachen.[13] Okay, wir haben gejagt und uns in kleinen Gruppen versammelt, aber wir haben die Gruppen auch regelmäßig gewechselt und waren damit Teil eines riesigen Netzwerks von Crossover-Homo-puppys. Wie ich im 3. Kapitel schrieb, trafen die Aché in Paraguay und die Hadza in Tansania im Laufe ihres Lebens mehr als 1000 Menschen.[14]

Noch bedeutsamer ist, dass wir in prähistorischen Zeiten eine reiche Phantasie besaßen. Wir haben schon immer geniale Mythen erschaffen und diese weitergegeben, Mythen, die eine Kooperation zwischen unzähligen Menschen ermöglichten. Denken Sie an den ältesten Tempel der Welt, den Göbekli Tepe in der heutigen Türkei (siehe 5. Kapitel), an dessen Errichtung Tausende Menschen mitgewirkt haben.

Der einzige Unterschied zu heute? In prähistorischen Zeiten waren Mythen ziemlich instabil. Stammesführer wurden schnell gestürzt, Denkmäler im Handumdrehen abgerissen. Oder wie zwei Anthropologen schreiben:

Anstatt in primitiver Unschuld zu faulenzen, bis der Geist der Ungleichheit entkorkt war, scheinen unsere Vorfahren die Flasche regelmäßig geöffnet und wieder verschlossen zu haben, wobei sie die Ungleichheit auf rituelle Kostümdramen beschränkten und dabei Götter und Königreiche errichteten, wie sie es mit ihren Monumenten taten, nur um sie dann fröhlich wieder einzureißen.[15]



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